Dauerbrenner Bauablaufstörung – BGH konkretisiert Inhalt des Entschädigungsanspruchs des Bauunternehmers aus § 642 BGB

Bauablaufstörungen sind unerquicklich, aber leider doch eher die Regel als die Ausnahme, insbesondere auf größeren Baustellen, bei denen viele Gewerke koordiniert ineinandergreifen müssen.

Der etwa durch fehlende Vorleistungen anderer Bauunternehmen oder verspätete Planbereitstellungen behinderte Auftragnehmer zeigt dem Auftraggeber dann richtigerweise seine Behinderung an und behält sich mit einer Mehrkostenanzeige die Geltendmachung von monetären Ansprüchen vor, die ihm infolge der Behinderung durch Bauunterbrechungen oder eine effizienzgeminderte Ausführung seiner Bauleistungen entstehen. Hier können Vorhaltekosten für Personal und Gerät entstehen, es können Preise für Personal und Material gestiegen sein, wenn es endlich weitergeht und es werden für einen bestimmten Zeitraum einkalkulierte Umsätze nicht bzw. nicht wie vorgesehen, vor allem erst deutlich später generiert.

Die Durchsetzung von Ansprüchen gegenüber dem Auftraggeber, der häufig selbst nichts für die Behinderungen kann, sie nicht verschuldet hat, sich aber zurechnen lassen muss und dann seinerseits an den behindernden Vorunternehmer oder Planer als Verzugsschaden weiterleiten möchte, ist aber mehr als kompliziert. Nicht nur, dass man einiges an Know-how in Baubetriebslehre, Kalkulation und Baurecht benötigt, die Anspruchsgrundlagen und deren Voraussetzungen sind ebenso wie deren Anspruchsinhalte hoch umstritten, die höchstrichterliche Rechtsprechung ist zurückhaltend in der Ausprägung. Das gilt insbesondere für die Kernanspruchsnorm: den Entschädigungsanspruch nach § 642 BGB. Andere Anspruchsgrundlagen sind in der Praxis häufig nicht nutzbar zu machen. So fehlt es für echte Nachtragsvergütungsansprüche nach § 2 Abs. 5, 6 VOB/B nicht selten an Anordnungen oder Leistungsverlangen des Auftraggebers, für (Behinderungs-)Schadensersatzansprüche nach § 6 Abs. 6 VOB/B am Verschulden des Auftraggebers.

Zuletzt hatte der BGH in 2017 (Urt. V. 26.10.2017 – VII ZR 16/17) die Gelegenheit dem Entschädigungsanspruch aus § 642 BGB Konturen zu geben, den er als Anspruch eigener Art zwischen Vergütung und Schadensersatz einordnet. Er entschädige für die Folgen einer Behinderung während der Dauer der Behinderung. Deshalb würden auch weitere Folgen, die erst lange nach dem Ende der jeweiligen Behinderung eintreten, etwa Personal- und Materialpreissteigerungen, von § 642 BGB nicht erfasst. Mit aktuellem Urteil vom 30.01.2020 (Urt. V. 30.10.2020 – VII ZR 33/19) hat er sich nun noch einmal mit § 642 BGB befasst und judiziert, dass der Entschädigungsanspruch nicht jeden Nachteil ausgleiche. Im Ausgangspunkt gehe es immer um eine Entschädigung für nutzlos vorgehaltene Produktionsmittel während der Dauer der Behinderung. Dabei müsse sich der Auftragnehmer jeden anderweitigen Erwerb anrechnen lassen. Den von vielen Auftragnehmern erhofften generellen Ausgleich umsatzabhängiger Nachteile gewähre § 642 BGB nicht. Wohl seien auf die vergütungsähnlich zu bestimmenden Vorhaltekosten die kalkulierten Anteile für Allgemeine Geschäftskosten, Wagnis und Gewinn aufzuschlagen. Dem Tatrichter komme bei der Anspruchsermittlung der Höhe nach ein Abwägungsermessen zu. Einzelheiten bleiben damit immer noch unscharf. Wer Bauablaufstörungsansprüche begründen oder abwehren will, sollte sich daher – vor allem rechtzeitig – qualifiziert beraten lassen. Gern stehen wir Ihnen dafür zur Verfügung.

Veröffentlicht: 30.03.2020